Musen total

Knete im Museum

Alexander, Postkarte (Bildnis des Tänzers Alexander Sacharov, Alexej von Jawlensky, 1909, Lehnbachhaus München), Knete, Berlin, 2019

Knete

Knete–Atlas

In den Museen der Welt sind die mutigsten, stärksten und klügsten Frauen der Welt versammelt. Seit Jahrzehnten, Jahrhunderten, sitzen, stehen, oder liegen sie, zur Betrachtung ausgestellt. Bedeutende Künstler*innen haben sie erschaffen, ihr Wert ist unermesslich, wir nähern uns ihnen in Ehrfurcht und bleiben auf Absatnd. In diesen Tempeln der Hochkunst besuche ich sie und lasse mich anziehen von ihrer Kraft.

Die, vor denen ich stehen bleiben muss, weil mich ihre Ausstrahlung gefangen nimmt, forme ich in Knete ab, egal ob Muse, Madonna oder Magd, Stand, Rang, Namen, Jahrtausend oder Künstler*inn. Diese in Knete geformten Portraits der Kunstikonen, sind bunt und ein wenig derb, sie sind Zeugnisse meines Besuches. Zum Abschluss der Arbeit mache ich ein Erinnerungsfoto des Knetestücks mit seinem Original vor Ort, als Beweis, als Trophäe, als Beute. Um das zu erstellen, brauche ich Hilfe, mir fehlen Hände und so wie meine Vorlage, leihe ich mir auch diese vor Ort. Ich bitte Besucher*innen mir zu helfen, mit mir zu spielen, gemeinsam zu inszenieren.

Das Kneteobjekt ist ein erstes Ergebnis, die Übertragung eines flachen Bildes in eine dreidimensionale Kneteform in sich ein absurdes Wagnis, aber ideal, um ins Gespräch zu kommen. Ich habe life gearbeitet, da ist nichts artifizielles, die Knete ist bunt vertraut, unperfekt, robust und sympatisch, da kann man nix kaputt machen. Hilfsbereitschaft, Spielfreude und Neugier öffnen die Tür für den nächsten Schritt.

Ich arbeite vor Ort, im musealen Hochsicherheitstrakt. Ich vertausche die Rollen. Das Museum wird zur Werkstatt, zur Bühne, die Besucher*innen werden zu Künstler*innen. Museum, Gemälde, Kneteobjekt, ich und Besucher werden in einer Abfolge von geplanten Zufällen eins. Für ein paar wenige Minuten gibt es ein WIR, ein gemeinsames Ziel: Hände, Knete und Gemälde wollen WIR bestmöglich für das Abschiedsbild inszenieren. Es gibt Kommunikation, Nähe, einen gemeinsamen Tanz, sogar Berührung – im Museum sonst undenkbar. Der Zufall führt uns zusammen, WIR werden zur Skulptur, wir bieten dem Museum und den anderen Besuchern ein Schauspiel, einen Tanz, der nur kurz währt, einmalig und flüchtig ist. Das Ergebnis ein Foto, ein Erlebnis, eine Erinnerung. Für 5 Minuten sind WIR selbst zur Skulptur geworden – für kurze Zeit ein Kunstwerk – und gleichsam zu Kompliz*innen eines Raubes.

Das „Selfie“ dokumentiert diesen Moment und weil Kunst nur bedeutsam ist, wenn sie gesehen wird veröffentliche ich es auf Instagram #playdoughartproject. Das Selfie ist Zeugnis dieser paradoxen Verkettungen und komischen Begegnungen, es geht mit unseren Seelen in die Welt und verändert sie.

Anders als das digitalen Zeugnis bleibt die Knetefrau als analoges Beutestück bei mir zurück, ich lege die Knete nun geformt und beseelt in ihre Dose zurück und verlasse das Haus.

Zusätzlich zu den Hauptwegen (weltweites Kneten in Museen), gibt es mehrere Nebenwege, die das Projekt zu einem vielschichtigen und langfristigen Genuss machen. Ein großes Ziel ist, diesen Knete-Atlas zusammen mit ihren Fotos zu einem Museum-total, einer Ausstellung zusammenzustellen. Wie der Blick in den Spiegel, der den Spiegel spiegelt, ein eindloses Abbilden.

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Knete

Bunt, weich, banal, eigentlich ein Nichtkunstmaterial, aber in seiner direktheit wunderbar. Die Ergebnisse charmant, absurd und überraschend zart. Die plakative Farbigkeit gibt Kraft. Im Stehen vor Ort geknetet, von mehreren Händen bespielt, transportiert, das hinterläßt Spuren, einige Näschen müssen rekonstruiert werden.

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globale Beute

#playdoughartproject ist analog und digital. Die Eroberung der Frau, sie in Knete zu fassen, ist  immer eine Anstrengung und ein aufregendes Wagnis. Werde ich ihre Magie stehlen dürfen, ihre Seele? Entsteht ein Schadenszauber? Was geschieht ist, dass die Frauen auf den Gemälden seltsam zum Leben erweckt werden durch ihre kleine Knetemuse.

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helfende Hände – Selfies

Der Dialog mit den Besuchern und die gemeinsame Inszenierung, helping hands mit Knetemuse vor und mit dem Original, ist besonders reizvoll. Wer kann von sich sagen, die Venus von Milo in Händen gehalten zu haben? Vielen Dank, an alle, die schon mit mir gespielt haben.

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Postkarten

Als es keinen Zutritt zu Museen gab habe ich auch Postkarten als Vorlage genommen. Ein völlig anderes Erlebnis, und spannende Performance. Die Inszenierung Postkarte, Muse und helping hands im Park zum Beispiel, bringen ganz andere Perspektiven.

Lukrezia, Gemälde (Lukrezia, Joos van Cleve, um 1520), Knete, Hand einer Besucherin, Kunsthistorisches Museum Wien, 2023
Venus, Gemälde (Venus und Mars von Vulkan überrascht, Paris Bordone), Knete, Hand einer Besucherin, Gemäldegalerie Berlin, 2018
Venus, Postkarte (Venus, Sandro Boticelli, Gemäldegalerie Berlin), Hände, Berlin, 2018

Collectione globale

Mit Knete die Welt verändern

Es sind kleine paradoxe Vignetten, die zart und humorvoll sind. Sie bringen uns zum lächeln und entfesseln das Gespräch zwischen Menschen.